Grußwort Dr. Ismail Boro
Marianne Boro
Ismail Boro
Reya
Sera
Akay
Abenteuer

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Leben wie vor 100 Jahren

Zehn Wochen Dreharbeiten - kaum zu glauben, was sich in dieser kurzen Zeit alles ereignete: Die Boros verlieren einen Großteil der Kartoffelernte durch einen Pilz; die einzige Kuh, die Milch gibt, wird krank und die Boros können keine Milchprodukte mehr verkaufen; Ismail erleidet einen Leistenbruch; mitten in der Nacht müssen die Boros dem Kälbchen Amy auf die Welt helfen; das Schwein Barney entwickelt sich zur Nervensäge Nummer 1.; Die Heuernte rückt näher und das Wetter spielt verrückt; dann kommt ein eiskalter Winter, und, und, und...

Kurz: Das war nicht im Entferntesten ein ruhiges Leben, das die Boros knapp drei Monate lang führten. Und davon lebt auch die Serie: "Schwarzwaldhaus 1902" zeigt, was es hieß vor 100 Jahren ein Schwarzwaldbauer zu sein: Immer auf dem schmalen Grat wandeln zwischen Wohlstand und bitterer Armut, zwischen Sattsein und Hunger. Wie viele historische Romane, Abenteuerfilme, Gespräche oder wissenschaftliche Arbeiten leben nicht von dieser Frage? Sie fasziniert Kinder ebenso wie Erwachsene, Stammtischbrüder wie Historiker.

Auch "Schwarzwaldhaus 1902" hat sich diese Frage gestellt - und mit einer unorthodoxen Methode nach Antworten gesucht: Eine Familie wurde für zehn Wochen auf eine Zeitreise geschickt. Sie wohnte auf einem alten Bauernhof im Schwarzwald, der historisch detailgetreu auf das Jahr 1902 zurückgebaut wurde. Die Familie lebte dort unter den Bedingungen, die vor hundert Jahren herrschten. Ein Kamerateam dokumentierte ihre Reise durch die Geschichte für eine vierteilige Serie, die im 1. Programm der ARD (DAS ERSTE) gesendet wurde.

Der 31. Juli 2001 war für die Familie Boro der Tag X: Der Einzug. Ohne zu wissen, wo ihr neues Domizil sein würde, reisten sie aus Berlin in den Südschwarzwald an. Keiner konnte vorhersehen, wie das Experiment sich entwickeln würde. Unvorhergesehene Probleme ergaben sich beispielsweise bei der Melkhygiene - die Einnahmen der Familie drohten auf Null zu sinken. Und dann war da noch der Leistenbruch des Vaters gleich in den ersten Wochen: Würde er operiert werden müssen?

Ende September verließ Familie Boro den Schwarzwaldhof. Die zweite Drehstaffel begann im Dezember 2001 und endete im Januar 2002.

Die Regeln der Zeitreise

Wenn man eine bestimmte historische Epoche simulieren will, muss man ihre Bedingungen herstellen und sie konsequent durchhalten. So auch beim Experiment "Schwarzwaldhaus 1902". Im Haus selbst war das noch am einfachsten umzusetzen: Der alte Hof wurde detailgetreu auf den technischen Zustand von 1902 rückgebaut, das heißt: Alles was es 1902 noch nicht gab wurde ausgebaut, z.B.: Steckdosen, Lichtschalter, das WC. Auch um das Haus herum (Garten, Hühnerstall) war alles so wie vor 100 Jahren. Die einzigen Ausnahmen: mehrere Feuerlöscher, ein Telefon in einer plombierten Kiste und ein Erste-Hilfekasten - ausschließlich Dinge für den Notfall also.

Um den Boros die Möglichkeit zu geben, sich erst einmal im Hof zurecht zu finden, hatten sie für die ersten Tage ein Startpaket an Vorräten und Geld bekommen. Das reichte für das erste Brotbacken und für den ersten Einkauf. Nach etwa zehn Tagen mussten sie allerdings zur Eigenversorgung übergehen. Nun mussten sie Wege finden, um Geld zu verdienen - mit Bürstenmachen oder dem Verkauf von Butter oder Frischkäse - selbstverständlich alles selbstgemacht! - auf dem 10 Kilometer entfernten Markt in Staufen.

Um das Nebeneinanderher von frühem 20. und frühem 21. Jahrhundert in den Griff zu bekommen, wurden einige Grundregeln aufgestellt:

1.
Familie Boro sollte unter den Bedingungen von 1902 leben. Das heißt: vor dem Einzug in das Haus mussten sie alles abgeben, was es 1902 noch nicht gab. Handys, Armbanduhren, Turnschuhe - alles blieb in der Zeitschleuse. Das galt auch für Besucher wie Tierarzt, Arzt, Pfarrer oder Nachbarn; wer kam musste durch die Zeitschleuse und zumindest seine elektronischen Geräte abgeben. Das einzig moderne am Hof waren damit die technischen Apparaturen des Fernsehteams.

2.
Der Standard des Hauses war der von 1902. Die einzigen Ausnahmen: mehrere Feuerlöscher, ein Telefon in einer plombierten Kiste und ein ErsteHilfekasten - ausschließlich Dinge für den Notfall also.

3.
Wenn die Boros den Hof verließen, geschah das auf die Art und Weise wie vor hundert Jahren. 1902 gab es im Münstertal noch keine Autos, keine Busse und keine Eisenbahn, daher hieß es: Alles musste zu Fuß zurückgelegt werden.

4.
Da es in Münstertal keine Geschäfte im Stil der Jahrhundertwende mehr gibt, mussten die Boros in der Supermarktfiliale einkaufen. Allerdings durften sie nur kaufen, was es auch 1902 schon gab, das heißt: Aus dem überbordenden Körperpflegeregal durften sie nur ein einziges Produkt in ihren Einkaufkorb legen - Kernseife. Dafür mussten sie auch nur die Preise von 1902 bezahlen.

5.
Um den Boros die Möglichkeit zu geben, sich erst einmal im Hof zurecht zu finden, hatten sie für die ersten Tage ein Startpaket an Vorräten und Geld bekommen. Das reichte für das erste Brotbacken und für den ersten Einkauf. Nach etwa zehn Tagen mussten sie allerdings zur Eigenversorgung übergehen. Nun mussten sie Wege finden, um Geld zu verdienen - mit Bürstenmachen oder dem Verkauf von Butter oder Frischkäse - selbstverständlich alles selbstgemacht! - auf dem 10 Kilometer entfernten Markt in Staufen.

6.
Die Boros lebten mit der Währung von 1902, der Reichsmark. Wenn sie zum Beispiel auf dem Staufener Markt verkauften, dann mussten die Boros die Marktpreise von heute verlangen. Die Einnahmen wurden dann vom Produktionsteam "schwarzwaldhaus 1902" getauscht: Die Familie erhielt den Betrag, den eine Bürste 1902 erzielt hätte. Auf diese Weise konnten Einnahmen und Ausgaben nicht nur auf die Währung sondern auch auf das Preisniveau und Warenangebot von 1902 bezogen werden. Damit konnten wir auch zu jeder Zeit sehen, wie es wirtschaftlich um den Kaltwasserhof stand.

Schwieriger wurde es in der unmittelbaren Umgebung. Man kann nicht ein ganzes Tal zurückbauen. So ging Akay nach Ferienende denn auch selbstverständlich in eine Schule von heute.

Die Aufgabe der Familie Boro war damit klar gestellt: Sie musste - mit den Möglichkeiten, die ein Bauer 1902 gehabt hätte - den Hof zumindest erhalten.

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Wintervorräte anlegen: Das ist auf dem Hof die wichtigste Arbeit im Sommer und im Herbst. Noch liefert die Natur das meiste, was die Familie benötigt. Und die Boros müssen versuchen, ihr Obst und Gemüse mit den damaligen Methoden haltbar zu machen. Vor allem Sauerkraut wird hergestellt. Das soll im Winter die lebensnotwenigen Vitamine liefern. Eine Tiefkühltruhe gibt es noch nicht. Dörren, Saften, Räuchern oder Einsalzen stehen traditionell zur Wahl. Dabei gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon revolutionäre Neuerungen in der Konservierungstechnik. Im historischen Rückblick wird die Erfindung der Weckgläser vorgestellt. Abgekocht und in den mundgeblasenen Gläsern luftdicht verschlossen, sind die Lebensmittel auf Monate haltbar. Leider sind die Gläser für eine durchschnittliche Bauernfamilie viel zu teuer. Darum stapeln sich auf dem Hof die eingesalzenen Krautfässer.

Ein wichtiges Lebensmittel auf dem Hof ist die Milch. Die Kühe werden täglich gemolken, aber ohne Kühlmöglichkeit lässt sich die Milch nicht aufbewahren. Sie muss rasch zu Butter und Käse weiterverarbeitet werden. Doch der selbstgemachte Käse konnte 1902 zur tödlichen Gefahr werden. Im historischen Rückblick zeigt der Film, wie Tuberkelbakterien, die damals oft ganze Rinderherden verseuchten, beim Menschen die lebensgefährliche Tuberkulose auslösten. Heute verhindern Lebensmittelgesetze und Kontrollen, dass sich Tuberkelbakterien über Milchprodukte ausbreiten können. Die Familie kann nur hoffen, dass ihre Milch in Ordnung ist und dass bei den anderen Produkten ihre Konservierungsmethoden erfolgreich sind. Nur dann sind die Vorräte auch im Winter noch genießbar.

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