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| Zitate Familie Boro |
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Die medizinische Versorgung habe man bald in Anspruch nehmen müssen. Der Vater "hatte einen Leistenbruch, die Mutter im Winter eine Blasenentzündung, Tochter Reya eine Sehnenscheidenentzündung, und Sohn Akay zog sich eine Blutvergiftung zu. Doch auch in anderer Hinsicht wichen die — Boros von den Voraussetzungen des Jahres 1902 ab. "An einer Stelle des Films wurde gesagt, wir würden falsch sitzen", sagte Ismail Boro zum Thema bäuerliche Hierarchie. "Natürlich wussten wir, dass der Bauer an der Stirnseite sitzen muss. Aber da haben wir uns alle mit Händen und Füßen gewehrt, weil: Das sind wir nicht! Und das sollte auch thematisiert werden, das sollte auch gezeigt werden, dass eine Familie aus dem Jahr 2001 nicht so existieren kann wie eine Familie aus dem Jahr 1902."
Der Start auf dem einsamen Berghof sei nicht einfach gewesen. so die Boros. Die totale Trennung von derr gewohnten Umgebung, die ungewohnte Kleidung, ungewohnte Arbeiten - aber man habe gelernt. "Andere Leute haben Töchter, die können vierhändig Klavierspielen, und wir haben Töchter, die können vierhändig eine Kuh melken", erklärte Mutter Marianne nicht ohne Stolz. Doch auch Akay habe besondere Fähigkeiten entwickelt. So stamme das Kraftfutterrezept für die zeitweise legefaulen Hühner von ihm, und auch eine Dusche habe der heute 13-Jährige gebaut.
Zu den extremen Erfahrungen habe sicherlich das Schlachten der Hühner gehört. Der Familienrat hatte, wenn auch nicht einstimmig, entschieden, dass drei Hühner gegessen werden sollten. Sie habe zugestimmt, sagte Reya, weil das Schlachten nicht nur für den Film gut wäre, sondern auch für sie selbst. "Wann hat man schon mal die Gelegenheit, so etwas zu tun?" Ein Erlebnis der besonderen Art hatte auch Marianne Hege-Boro: Während des Rupfens legte mir dann noch ein Huhn, kopflos wie es war, ein Ei in die Hand. Das war schon schwierig."
Schwierigkeiten innerhalb der Familie, ja Streit, habe es jedoch nicht gegeben. Auf Reinhold Beckmanns Frage nach dem' Geheimnis der Harmonie antwortete Ismail Boro mit einer Gegenfrage: "Was passiert mit einer Gruppe, wenn der Druck von außen groß wird?" Reya antwortete: "Sie hält zusammen." Ismail Boro nickte: "Genau das ist passiert."
Was wäre nach der verregneten Heuernte, nach verfaulten Kartoffeln und anderen Rückschlägen aus den Bewohnern des Schwarzwaldhauses geworden, wenn sie tatsächlich Im Jahre 1902 gelebt hätten, wollte Reinhold Beckmann schließlich wissen. "Es wäre für den Bauern ein schlechtes Jahr gewesen, so die "Bäuerin". Aber: "Wir wären gut über den Winter gekommen. Wir hätten für das nächste Jahr noch Saatgut einkaufen können. 1903 hätten wir wieder mit neuer Kraft angefangen und gehofft, dass dieses Jahr eben besser wird. Doch Sera war sich sicher, das dass viele Dinge 1902 eben nicht passiert wären. Das Leben sei sehr hart gewesen, besonders für Frauen, doch ihre Schwester Reya betonte: "Ich glaube, diese Zeit ist nicht nur frauenfeindlich gewesen, sondern im Grunde menschenfeindlich." Trotz alledem sei allen die Rückkehr in dieGegenwartsehrschwergefallen. Ob sie wieder zurück gehen würden oder gar tatsächlich im Jahr 1902 leben wollten? Akays Formel war eindeutig: "Bauernhof ja, 1902 würde ich mir noch mal überlegen." Und Sera wusste genau, was sie wollte: "Ich will diesen Hof mit den Leuten, die bei uns waren, und mit den Nachbarn und dem Team und den Tieren. Dann würde ich es noch mal machen." Dem schlossen sich Eltern und Geschwister an.
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